„Tu fui, ego eris – Was du bist, war ich; was ich bin, wirst du sein.“ Ich finde, mit diesem einen Satz lässt sich dieser Ort sehr treffend beschreiben.
Palermos Kapuzinergruft – Nichts für schwache Nerven
Etwas außerhalb der Altstadt, und damit abseits der bekannten touristischen Sehenswürdigkeiten, liegt das Kapuzinerkloster von Palermo.
Das 1534 errichtete Kloster, mit seinen beige- und ockerfarbenen Gebäuden, wirkt auf den ersten Blick eher unscheinbar und langweilig. Wäre es nicht unser Ziel, wir wären vermutlich daran vorbeigelaufen, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen.
Aber nicht das Kloster an sich, sondern dessen unterirdische Gewölbe haben unser Interesse geweckt. Die Kapuzinergruft mit ihren Mumien – nichts für schwache Nerven!

Der Eingang zur Gruft befindet sich unscheinbar in einer Ecke des Gebäudekomplexes. „Ingresso Catacombe“ steht über der schmalen Eingangstür, welche durch Postkartenständer, links und rechts, flankiert wird.
An der Kasse sitzt ein Mönch, hinter einer über die Jahre leicht milchig gewordenen Scheibe, und kassiert den Eintritt von 3 Euro pro Person. Rosenkränze und Kruzifixe, hinter einer Glasvitrine, warten geduldig auf neue Besitzer. Der Mönch ist der letzte lebende Mensch, den der Besucher hier zu Gesicht bekommt.
Über eine Art Rampe schreiten wir hinab, immer tiefer, in den Keller des Klosters. Nach einer Biegung und einem Durchgang öffnet sich der schmale, weiß getünchte Gang zu einem großen Gewölbe und gibt den Blick frei auf mehr als 2.000 Tote.
Nicht in Särgen liegend und andächtig aufgebahrt, so wie wir es als Mitteleuropäer eigentlich gewohnt sind, sondern links und rechts in Wandnischen aufrecht, den Kopf nach vorn hängend als ob sie im Stehen schlafen.




Unter tausenden Toten
Mit den schwarzen, leeren Augenhöhlen verfolgen sie reglos jede Bewegung ihrer Besucher, und aus den weit aufgerissenen Mündern – so scheint es – stoßen sie stumme Schreie in den Raum.
Viele der Toten tragen noch Kleidung. Bei den Männern sind Anzüge, Mönchskutten und Uniformen en vogue, bei den Frauen eher die ausladenden Kleider mit den dazu passenden Accessoires wie Hut und Sonnenschirm. Viele der Kinder tragen noch ihre Taufkleidchen und liegen in einer Wiege.
Aber die Jahrhunderte haben ihre Spuren hinterlassen. Die bunten Farben sind längst verblichen, dass strahlende Weiß der Kleider ist zu einem dreckigen Grau verkommen. Sämtliche Kleidungsstücke sind zudem von Motten durchlöchert und zerfressen.
Die Leichen befinden sich in unterschiedlichen Verwesungsstadien. Während von manchen nur noch Knochen übrig sind, spannt sich bei den anderen noch eine matte Lederhaut mit schwarzen Haaren über den Schädel. Durch die besonderen, vom Tuffstein geschaffenen, klimatischen Bedingungen vertrocknen die Toten anstatt zu verfaulen.
Dies wurde von den Mönchen bereits im Jahr 1599 erkannt. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Mumie. Schon damals begannen sie ihre toten Brüder an den Wänden aufzureihen.
Nicht lange und die ersten reichen Palermitaner fanden Gefallen an dieser Art der Bestattung, ihre Liebsten auch über den Tod hinaus noch besuchen und sehen zu können. Der Andrang war bald so groß, dass die Mönche beginnen mussten das Gewölbe auszubauen.
Somit fanden hier mit der Zeit, neben den Kapuzinern, auch Gelehrte, Ärzte, Anwälte, Adlige und die wohlhabende Bürger Palermos ihre letzte „Ruhestätte“. Streng getrennt nach Geschlecht und Stand. Sogar für Jungfrauen (virgins) und Kinder (bambinis) wurden eigene Korridore angelegt.
Rosalia Lombardo – Die schönste Mumie der Welt
Im 19. Jahrhundert wurde durch die italienischen Regierung diese Art der Beisetzung schließlich verboten. Es dauerte jedoch noch einige Jahrzehnte, bis die letzte Bestattung vollzogen war.
Die größte Attraktion ist heute der Körper der kleinen Rosalia Lombardo. Kurz vor ihrem zweiten Geburtstag verstarb das Kind an der spanischen Grippe. Aufgebahrt, in einem mit einer Glasplatte abgedeckten Sarg, gilt sie heute als die „schönste Mumie der Welt“.

Lange Zeit war es ein Geheimnis, wie es der Einbalsamierer geschafft hatte den Körper der Kleinen so zu präparieren, dass man noch heute bei ihrem Anblick glaubt, sie würde schlafen.
Die Zusammensetzung der verwendeten Mixtur wurde erst im Jahre 2009 in den Hinterlassenschaften ihres Vaters gefunden.
Ganz allein unter Toten
Bei unserem Besuch, an einem Montagvormittag, waren wir nahezu allein mit den Toten. Nur eine handvoll Besucher, die es ebenfalls an diesen unwirklichen und schaurigen Ort verschlagen hatte, standen versprengt in den Nischen und Gängen der Gruft.

Das Fotografieren ist verboten und der Besucher wird durch unterschiedlichste Schilder immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Allerdings hält sich daran (fast) niemand. In Zeiten von Instagram und Co verhindern auf den unteren Ebenen daher Gitter ein Posieren mit den Gebeinen.
So faszinierend dieser Ort auf den ersten Blick auch ist, wir waren irgendwie erleichtert als wir nach einer guten Stunde wieder auf der Straße, im grellen Sonnenlicht standen und frische Luft atmen konnten.
Ich habe leider auch schon so viele pietätlose Fotos von und Mumien gesehen, dass ich es verstehen kann, wenn das Fotografieren verboten ist.
Du hast den Artikel wirklich sehr schön geschrieben. Es ist bestimmt ein komisches Gefühl, so viele Mumien auf einmal zu sehen.
Lg Miriam
Ja Miriam, Du hast Recht – es war ein komisches Gefühl sich zwischen all den Mumien zu bewegen. Dieser Ort hat eine ganz eigene Aura. Irgendwie ist man auch erleichtert, wenn man schließlich wieder auf der Straße in der wärmenden Sonne steht.